Blog · 16.04.2024 · Amelie Görlich

Wie unsere B Corp-Zertifizierung unsere Organisationsentwicklung unterstützt

Wie unsere B Corp-Zertifizierung unsere Organisationsentwicklung unterstützt

Seit Dezember 2023 sind wir eine zertifizierte B Corporation. Damit gehören wir zu einer globalen Gemeinschaft von über 5.000 Unternehmen, die für eine inklusive, faire und regenerative Wirtschaft antreten. Der Zertifizierungsprozess hat uns fast das gesamte Jahr 2023 begleitet. Er war anspruchsvoll, aufregend und lehrreich. Gefühlt wurden wir als Organisation einmal durchleuchtet und auf links gedreht. Wir haben (viele) Fragen beantwortet, Dokumentationen eingerichtet und Interviews geführt. Dabei hatten wir die Chance, durch den unabhängigen Blick von außen mehr über uns zu erfahren. Wir haben einige Seiten von uns noch mehr zu schätzen gelernt und mindestens genauso viele blinde Flecken entdeckt. Über unsere wichtigsten Erkenntnisse und Ableitungen schreiben wir in diesem Text. Vielleicht sind sie eine Inspiration und Ermunterung für andere Unternehmen, sich auf den Weg zu machen.

B Corp: Neue Standards für zukunftsweisendes Wirtschaften

Fangen wir vorne an: Was ist überhaupt eine B Corp Zertifizierung? Das B Corp Zertifikat wird seit 2006 von der Non-Profit Organisation B Lab ausgestellt. Sie versteht unter einer B Corporation („Benefit Corporation“) eine Organisation, die hohe Standards in Bezug auf soziale und ökologische Leistungen, verantwortungsvolles Handeln und Transparenz einhält. B Corps achten auf die Balance zwischen Gewinn und positiver Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt.

B Lab formuliert es so: B Corps „streben danach, die besten Unternehmen für die Welt zu sein und nicht bloß die besten der Welt.“ Es geht also um eine Verschiebung des unternehmerischen Fokus.

Unser Antrieb: Anders arbeiten, anders wirtschaften

Dieser Leitgedanke von B Lab hat uns als Team sofort angesprochen. Uns ist es wichtig, uns kontinuierlich weiterzuentwickeln und den positiven Beitrag von covolution für die Welt schrittweise weiter zu erhöhen. Dafür haben wir seit unserer Gründung 2016 immer wieder neue Ansätze ausprobiert, die unser organisationales Set-Up, unsere Zusammenarbeit als Team und unsere strategische Ausrichtung betreffen.

Eine Motivation, uns zertifizieren zu lassen, war die Hoffnung, einen unabhängigen Blick darauf zu erhalten, wo wir als Unternehmen stehen:

  • Wie wirken sich unser Geschäftsmodell, unsere Aufstellung, unsere unternehmerischen Entscheidungen und Angebote sowie unser Handeln auf uns als Team und Mitarbeiter*innen sowie auf unsere Umwelt aus – also auf Natur, Kund*innen, Partner*innen und weitere Stakeholder?
  • Wo sind wir bereits gut aufgestellt?
  • Was können wir besser machen?

Gleichzeitig wollen wir mit der Zertifizierung ein Zeichen setzen: Uns ist es wichtig, die Auswirkungen unserer Entscheidungen auf alle unsere Stakeholder und die Umwelt zu berücksichtigen und unseren Impact dabei kontinuierlich zu verbessern. Unsere Wirtschaft können wir nur gemeinsam weiterentwickeln. Als Mitglied der B Corp Community erhalten wir nicht nur Inspiration für unsere eigene Weiterentwicklung, sondern setzen gemeinsam mit anderen Organisationen neue Leistungsstandards, gestalten Narrative für anderes Wirtschaften und leben vor, wie eine nachhaltige Governance aussehen kann.

Die Zertifizierung: Anspruchsvoll, aufregend, lehrreich – und lohnenswert

Die Zertifizierung zur B Corporation umfasst verschiedene Schritte, angefangen beim initialen B Impact Assessment (BIA) über die Satzungsänderung unserer GmbH bis hin zum finalen Verifizierungsprozess mit Interviews durch das B Lab Standards Team. Das BIA dient dazu, eine Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen zu schaffen – und gleichzeitig ist es Kompass und Treiber für die eigene Weiterentwicklung. Denn hier wird deutlich, wie die eigenen Strukturen, Standards und Verhaltensweisen im Vergleich zu denen anderer Organisationen bewertet werden.

Das BIA war für uns der Anfang eines intensiven Prozesses. Circa neun Monate hat der Zertifizierungsprozess gedauert und für eine kleine Organisation wie unsere war er sehr aufwändig. Das war insbesondere deshalb so, weil wir nicht für jedes Thema umfangreiche Prozess-Dokumentationen in der „Schublade“ haben oder Tools, die uns die gewünschten Informationen per Knopfdruck liefern. Hier liegt unseres Erachtens eine Stolperfalle: Denn je umfangreicher wir unsere Dokumentation gestalten, umso höher wird der Aufwand, diese aktuell zu halten. Wir haben deshalb immer wieder diskutiert, wie viel Pflegeaufwand wir uns dauerhaft zumuten möchten: Brauchen wir ein Mitarbeiter*innen-Handbuch? Schreiben wir eine Reise-Richtlinie? Brauchen wir eine Guideline für umweltfreundliches Verhalten im Home Office? Das sind nur einige Beispiele, die wir für uns klären mussten.

Unsere Zertifizierung gilt nun für die nächsten drei Jahre. Das ist unser Fazit:

  • Hoher Zeitaufwand: Wer sich zertifizieren lassen will, braucht Zeit und Ausdauer. Der Prozess erstreckt sich über knapp neun Monate und beinhaltet verschiedenen Phasen. Details findet ihr auf der B Corp Website. Mit der Beantwortung der Fragen im BIA beginnt der Prozess, die eigentliche Arbeit entsteht aus unserer Sicht danach – wenn die Antworten durch Dokumentation verifiziert werden müssen. Das ist mit Blick auf die Wertigkeit der Zertifizierung sinnvoll, weil die eigenen Angaben geprüft werden, kostet aber einfach Zeit.
  • Ganzheitlichkeit: Das BIA prüft alle Facetten von Nachhaltigkeit (ökologisch, ökonomisch, sozial) sowohl mit Blick auf deren Relevanz in der Organisation als auch im Außenverhältnis. Dadurch ist das Assessment ganzheitlich – die betrachteten Themenbereiche reichen von Entscheidungsstrukturen bis hin zu Lieferant*innenstandards. Wir finden das hilfreich, weil die Themen aus unserer Sicht zusammenhängen: Wie wir intern zusammenarbeiten spiegelt sich in unserer Zusammenarbeit mit externen Stakeholdern wider.
  • Teamaufgabe: Wer die Zertifizierung begleitet, braucht entweder umfassenden Einblick in alle internen Prozesse, Guidelines und Zahlen – oder viel Support aus der Organisation. Für uns war das ein ziemliches Aha-Erlebnis, weil wir jetzt besser verstehen können, vor welchen Herausforderungen Nachhaltigkeitsmanager*innen in großen Unternehmen stehen, die „mal eben“ die Nachhaltige Transformation vorantreiben sollen. Unser Fazit: Im Team geht es leichter, braucht aber eine gute Synchronisierung und eine gemeinsame Vorstellung davon, worum es geht und was wichtig ist.
  • Unternehmensbild: Auch wenn das Assessment auf die Größe, den Sektor bzw. die Branche und den Standort eines Unternehmens zugeschnitten ist, ist uns aufgefallen: Das B Lab hat per se eine hierarchische Organisation im Kopf, die möglichst verantwortungsvoll mit ihren Mitarbeiter*innen umgehen soll. Vieles, was wir als Organisation tun, findet im Impact Assessment keinen Raum bzw. keine gesonderte Anerkennung. Dazu gehört z. B. die Tatsache, dass wir selbstorganisiert arbeiten. Das ist manchmal ernüchternd, aber angesichts der Breite von beteiligten Unternehmen vermutlich nur schwer anders lösbar.

Ergebnisse: Wie haben wir abgeschnitten?

Basierend auf dem BIA haben wir eine Gesamtbewertung von 81,1 erhalten (von 200 möglichen Punkten). Der Medianwert für Unternehmen, die das Assessment absolvieren, liegt derzeit bei 50,9. Wir haben besonders gute Ergebnisse in den Dimensionen Interne Governance, Transparenz zu Finanzen, Datenschutz, Umgang mit/Angebot für Mitarbeiter*innen, Eigentumsstrukturen, Finanzielle Leistungsfähigkeit sowie Unabhängigkeit und Gewinnverteilung erzielt.

Auf unsere Governance-Bewertung sind wir besonders stolz: Unter Governance werden im Rahmen des BIA die allgemeine Zielsetzung eines Unternehmens sowie das Engagement in Bezug auf soziale und ökologische Auswirkungen, Ethik und Transparenz betrachtet. Hierzu wird auch die Kompetenz eines Unternehmens bewertet, seinen Purpose zu wahren und Stakeholder bei der Entscheidungsfindung durch die Unternehmensstruktur oder -richtlinien formal zu berücksichtigen.

Bei allen positiven Ergebnissen gibt es auch Bereiche, in denen wir Verbesserungspotenzial haben. Dazu gehören:

  • Die verlässliche Dokumentation von Vereinbarungen und Prozessen, wie z. B. der Umfang unserer jährlichen Spende an gemeinnützige Organisationen oder eine schriftlich fixierte Reise-Guideline
  • Die inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen wie Diversity Management, der Umsetzung eines ökologisch-verantwortlichen virtuellen Bürobetriebs (Stichwort: Home Office) oder eine Form der Impactmessung für unsere Projekte

Weitere Einblicke und detaillierte Informationen finden sich in unserem Impact Report.

Ausblick: So geht es weiter

Als B Corp geht es uns vor allem darum, uns kontinuierlich weiterzuentwickeln und unseren positiven Beitrag für die Welt schrittweise zu vergrößern. Nach der Zertifizierung ist also vor der Zertifizierung. Anfang Januar 2024 haben wir die Ergebnisse der Zertifizierung bei unseren Strategietagen diskutiert und anschließend in den Circles unserer Kreisorganisation konkrete Maßnahmen zur Weiterentwicklung von covolution vereinbart. Diese werden wir in den kommenden Wochen und Monaten umsetzen. 

Das sind einige Beispiele dafür, was wir uns für 2024 vorgenommen haben:

  • Zur Impactmessung wollen wir ein nutzer*innenfreundliches Feedbackinstrument entwickeln, um den Impact für unsere Kund*innen systematisch zu erfassen und weiter zu optimieren.
  • Mit Blick auf unseren Vertrieb steht die Überprüfung unserer Projektbesetzung im Fokus, um auch hier bewusstes Handeln (z.B. mit Blick auf Reisetätigkeiten) zu fördern. Die Reise-Guideline haben wir schon umgesetzt ;-)
  • Im Marketing setzen wir auf ökologisch und fair gehandelte Werbematerialien; Visitenkarten haben wir bereits durch QR-Codes auf unseren Mobilgeräten ersetzt.
  • Im Bereich IT liegt der Fokus auf einem nachhaltigem Ressourceneinsatz, beispielsweise verzichten wir auf den turnusmäßigen Austausch von Geräten. Schon umgesetzt haben wir die Umstellung auf Ecosia als Standardbrowser.
  • Im Bereich Finanzen haben wir verbindliche Guidelines für unsere Spenden und Pro-Bono-Aktivitäten verankert.

Die Impulse aus dem Zertifizierungsprozess werden auch im nächsten Jahr in unseren Strategieprozess einfließen und bieten uns wertvolle Impulse für unsere Weiterentwicklung in den kommenden drei Jahren, bis wir dann 2027 die Re-Zertifizierung angehen.

Unser B Corp-Fazit: Wir bleiben dran!

Die Zertifizierung zur B Corporation ermöglicht es Unternehmen, ihre sozialen und ökologischen Auswirkungen ganzheitlich zu erfassen und Optimierungspotenziale zu identifizieren. Durch die ganzheitliche Betrachtung der Organisation werden auch bislang unberücksichtigte Aspekte und Stellschrauben für mehr Nachhaltigkeit und Stakeholder-Orientierung sichtbar und besprechbar. Die Zertifizierung bietet somit nicht nur Orientierung, sondern motiviert auch dazu, die nächsten wirksamen Schritte in den Blick zu nehmen und sich kontinuierlich weiterzuentwickeln. Für kleine Unternehmen bedeutet der Zertifizierungsprozess aufgrund der notwendigen Dokumentation viel (zeitlichen) Aufwand. Bei der Weiterentwicklung (und für die nächste Zertifizierungsrunde) gilt es für uns erneut, eine Balance zwischen sinnvollen Entwicklungen und wachsender pflege-intensiver Bürokratie zu finden.


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