Blog · 04.09.2023 · Julia Straub

4-Tage-Woche: Für uns ein voller Erfolg. Warum wir sie eingeführt haben & was sie uns als Unternehmen bringt

4-Tage-Woche: Für uns ein voller Erfolg. Warum wir sie eingeführt haben & was sie uns als Unternehmen bringt

Die 4-Tage-Woche erhitzt aktuell viele Gemüter – die einen sehen darin die Zukunft der Arbeitswelt, die andere sehen in dem neuen Arbeitszeitmodell den Untergang der Deutschen Wirtschaft. Für uns ist klar: Wir suchen nicht nach einer neuen Lösung für alle, sondern nach einem wirksamen und nachhaltig gesunden Arbeitsmodus für uns.

2022 haben wir viele Studien und Erfahrungsberichte anderer Unternehmen gelesen und sie haben uns gereizt, in den Selbstversuch zu gehen. Von Juni bis August 2023 haben wir die 4-Tage-Woche als Team ausprobiert – als Experiment mit offenem Ausgang und der Erlaubnis zu scheitern.

Spoiler: Unser Selbstversuch war ein voller Erfolg. Wir haben uns nach 3 Test-Monaten für die 4-Tage-Woche entschieden. Wie wir vorgegangen sind, welche Erfahrungen wir gesammelt haben und warum die 4-Tage-Woche für uns das Modell der Wahl ist, möchten wir gerne mit euch teilen.

Unser Experiment: ein gemeinsamer 4-Arbeitstage-Sommer

Die Idee des „4-Tage-Woche-Experiments“ ist bei unserem Strategy Retreat im Januar 2023 entstanden. Statt lange das Für und Wider des Modells zu diskutieren, haben wir entschieden, gemeinsam auszuprobieren, wie sich 4 statt 5 Arbeitstage pro Woche anfühlen. Dafür haben wir einen klaren Rahmen als Set-up des Experiments vereinbart:

Hypothesen

  • Wenn wir einen Tag mehr Wochenende haben, fühlen wir uns erholter und starten energievoller und motivierter in die Arbeitswoche.
  • Durch mehr arbeitsfreie Zeit entsteht Raum für Kreativität und neue Ideen.
  • Wenn wir freitags nicht arbeiten, hat das keinen Einfluss auf unsere Projektauslastung und damit die wirtschaftliche Situation von covolution. (Hintergrund: Der Freitag ist seit Jahren bei uns ein „kund*innenfreier“ Tag.)

Zeitraum

  • Juni bis August 2023 (drei Monate)

Bedingungen

  • Wir gehen auf eine 32h Woche (Vollzeit) bei unveränderten Gehältern.
  • Wir verteilen unsere Arbeit von Montag bis Donnerstag; freitags sind wir nicht erreichbar und es finden keine Meetings statt. Ausnahmen kann jede*r für sich entscheiden.
  • Wir passen unsere internen Meeting-Routinen an und schieben unter anderem unsere Wochenplanung von Freitag auf Montagmorgen.
  • Wir reflektieren während des Experiments monatlich, wie sich die Veränderungen auf uns als Individuum, als Team und als Unternehmen sowie auf unsere Kundenbeziehungen und Projekte auswirken.
  • Wir testen ergebnisoffen – das heißt: Wenn sich unsere Hypothesen und Hoffnungen nicht bestätigen, gehen wir zurück in die 5-Tage-Woche mit 40 Arbeitsstunden.

Die erste Reflexion im Team fand Ende Juni 2023 statt und hat uns alle überrascht. Nach nur vier Wochen haben alle Teammitglieder spürbare positive Effekte der 4-Tage-Woche wahrgenommen. Gleichzeitig haben wir gemerkt: Es ist ein Lernprozess, den Freitag als legitimen freien Tag anzuerkennen. So haben einige von uns zum Beispiel an den ersten Freitagen doch noch zwischendurch ihre Emails gecheckt oder Anrufe entgegengenommen.

Interessant war auch, wie unterschiedlich wir den freien Freitag verbrachten: Während ein Teil des Teams den Tag als Orga-Tag nutzte, also für Einkäufe, Haushalt oder private Termine, ließen andere ihren Freitag bewusst langsam angehen: ausschlafen, in Ruhe frühstücken, vielleicht Sport machen oder anderen privaten Interessen nachgehen.

Unsere wichtigsten Erfahrungen und Learnings aus dem Experiment

Individuelle Ebene

  • Von Anfang an haben wir mehr Energie, Headspace, Gelassenheit und Motivation wahrgenommen.
  • Mit zunehmender Zeit fiel es uns immer leichter, unseren Fokus auf einzelnen Themen zu halten und bewusster zu entscheiden, wo wir uns wie einbringen. Die verfügbare Zeit war knapper und dadurch fiel uns das Priorisieren leichter. Fast jede*r im Team hat die eigene Woche neu strukturiert und bewusster geplant.
  • Unser wichtigstes Learning: Selbststeuerung und -führung sind superwichtig, um die eigene Arbeitszeit gut zu nutzen. Dazu gehört auch, den eigenen Biorhythmus zu kennen und die Tagesplanung darauf auszurichten. Niemand kann acht Stunden am Stück fokussiert arbeiten; unser Körper braucht Abwechslung und Pausen. Die Frage, wann welche Aufgabe am besten reinpasst, gewinnt bei einer 4-Tage-Woche massiv an Bedeutung, da merklich weniger Zeitpuffer zur Verfügung stehen.

Team-Ebene

  • Auf Teamebene haben wir anfangs kaum Auswirkungen gespürt. Neue Routinen haben sich schnell eingespielt.
  • Mit der Zeit wurden unsere internen Meetings fokussierter. Offenbar haben wir unsere Zeit auch auf Teamebene bewusster eingesetzt.
  • Auch unsere Ergebnisorientierung stieg – was uns überrascht hat. Wir waren auch vorher nicht gerade ziellos unterwegs.
  • Spontane Austausche im Team wurden schwieriger. Wir haben gemerkt, dass wir uns gut koordinieren müssen, unter anderem in unseren Check-in-Meetings, die 2x pro Woche jeweils 15 Minuten lang stattfinden.
  • Unser größtes Learning: Wenn wir unsere bestehenden Arbeitsmodelle nutzen, sind wir gut aufgestellt. Das gilt insbesondere für (1) unsere quartalsweise strategische Planung, die klare Prioritäten setzt; (2) das Arbeiten in Rollen, das uns individuell klare Gestaltungsräume gibt; und (3) unsere Meetingstruktur, die sicherstellt, dass wir in gutem Austausch und in Verbindung sind.

Ökosystem

Unsere Kund*innen und Kooperationspartner*innen sind der Idee der 4-Tage-Woche von Beginn an positiv, offen und neugierig begegnet. Wir erhielten viel Zuspruch und Fragen, wie wir das Experiment konkret umsetzen und wie sie sich auswirkt. Sorgen bezüglich unserer Erreichbarkeit und Lieferfähigkeit erreichten uns nicht. Das liegt vermutlich auch daran, dass wir in den vergangenen Jahren unsere Freitage bereits möglichst frei von Kundenprojekten gehalten haben.

4-Tage als New Normal: So geht’s für uns weiter

„Möglichst frei“ gilt auch nach vorn: Die 4-Tage-Woche ist unser neuer Standard und wir alle haben die Möglichkeit, Ausnahmen zu machen. Denn ein wesentliches Ökosystem-Learning ist: Die meisten spannenden Workshops und Konferenzen finden freitags statt. Damn! Vor allem aber haben wir gelernt: Wenn wir klar rahmen, wie wir arbeiten und dafür einstehen, dann findet das Akzeptanz bei denen, die mit uns arbeiten möchten.

Unser Experiment war für uns ein großer Erfolg. Unsere Hypothesen haben sich bestätigt – inklusive unserer Erwartung an Umsatzstabilität. Ein wichtiger Punkt, um das Experiment erfolgreich in die Zukunft zu tragen und zu verstetigen.

Darüber hinaus haben wir viele weitere positive Effekte der 4-Tage-Woche erlebt, die uns überzeugt haben, dass wir genauso arbeiten möchten. Die Entscheidung, die 4-Tage-Woche beizubehalten, haben wir als Team im Konsent getroffen. Ohne Einwand, ohne Bedenken. Wir haben vereinbart, weiterhin zu beobachten, wie sich unsere Zusammenarbeit entwickelt und was wir brauchen, um gemeinsam erfolgreich zu sein. Denn klar ist: Der Raum für Austausch und Co-Kreation ist uns extrem wichtig und dafür nehmen wir uns Zeit, egal an welchem Wochentag.


Weitere Infos zur 4-Tage-Woche:

Beitrag beim Wissenschaftsmagazin Quarks: „Sollten wir alle weniger arbeiten? Das sagt die Wissenschaft“ , Zugriff am 17.3.2023

Feature auf ARD Alpha: „Arbeitszeit: Macht uns die 4-Tage-Woche produktiver und gesünder?“, Zugriff am 30.8.2023

Studie der 4 Day Week Global Foundation: „Assessing global trials of reduced work time with no reduction in payAssessing global trials of reduced work time with no reduction in pay“, Zugriff am 30.8.2023

Kolumne für ZEIT ONLINE: „Deutschland sollte die Viertagewoche ausprobieren“, Zugriff am 30.8.2023

Pilotprojekt in Deutschland: „50 Firmen testen 4-Tage-Woche“, Zugriff am 17.8.2023